In den letzten Monaten wurde bereits öffentlich bekannt, dass die EU-Kommission offen für eine Anpassung einzelner Pflichten der DSGVO ist und diese noch in 2025 vorschlagen möchte. Ziel soll vor allem eine Entlastung von kleinen Unternehmen und NGOs sein.
Ein konkreter Entwurf zu den Anpassungen des Gesetzes wurde noch nicht vorgelegt. Jedoch ergibt sich aus einem nun gemeinsam vom EDSA und dem EDSB veröffentlichten Brief vom 8.5.25 (PDF) an die Kommission, welche Änderungen wohl anstehen könnten. Mit dem Brief nehmen der EDSA und der EDSB Stellung zu einem „Entwurf eines Vorschlags der Kommission zur Vereinfachung der Verzeichnisführungspflicht gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO)“ (Commission draft proposal on the simplification of record-keeping obligation under Regulation (EU) 2016/679 (GDPR)).
Welche Änderungen plant die Kommission?
Die vorgeschlagenen Änderungen ergeben sich quasi mittelbar aus den Antworten in dem Brief.
- Die in Art. 30 Abs. 5 DSGVO vorgesehene Ausnahmeregelung für die Verpflichtung zur Führung von Verzeichnissen über die Verarbeitung, die derzeit für Unternehmen oder Organisationen mit weniger als 250 Beschäftigten (einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen oder KMU) gilt, soll auf „kleine Midcap-Unternehmen“ (SMC) ausgedehnt werden. Von der Ausnahme erfasst wären damit auch Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten und einem bestimmten Jahresumsatz sowie auf Organisationen wie gemeinnützige Organisationen mit weniger als 500 Beschäftigten.
Neuerung: Anhebung der rein formellen Grenze der Beschäftigtenanzahl, ab der Unternehmen ein Verzeichnis führen müssen.
- Zudem soll Art. 30 Abs. 5 DSGVO dahingehend geändert werden, dass diese Ausnahmeregelung nicht gilt, wenn die Verarbeitung „wahrscheinlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat“ – in der aktuellen Fassung ist lediglich von einer „Verarbeitung, die wahrscheinlich ein Risiko zur Folge hat“ die Rede.
Neuerung: Anhebung der Risikogrenze, wann ein Verzeichnis zu führen ist. Nur noch, wenn ein „hohes Risiko“ vorliegt.
- Zudem sollen bestimmte Ausnahmen von der Ausnahmeregelung, ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten zu führen, gestrichen werden. Insbesondere durch Streichung der Verweise auf die gelegentliche Verarbeitung und möglicherweise auch des Verweises auf die Verarbeitung besonderer Datenkategorien.
Neuerung: Entfernen von Rückausnahmen, wie etwa wenn die Verarbeitung nur gelegentlich erfolgen würde.
- Zudem gehen EDSA und EDSB davon aus, dass ein Erwägungsgrund klarstellen würde, dass die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung im Bereich des Beschäftigungsverhältnisses, der sozialen Sicherheit oder des Sozialschutzes (gemäß Art. 9 Abs. 2 b) DSGVO) nicht der Verpflichtung unterliegt, ein Verzeichnis dieser Verarbeitungstätigkeiten zu führen.
Neuerung: Allein die Verarbeitung von Gesundheitsdaten und ähnlichen sensiblen Informationen von Beschäftigten soll nicht zu einer Pflicht führen, ein Verzeichnis zu erstellen; solange diese Verarbeitung Bezug zum Beschäftigungsverhältnis aufweist.
Einschätzungen von EDSA und EDSB
Vorläufig unterstützen der EDSA und der EDSB die Vorschläge – vorbehaltlich einer tieferen Prüfung des finalen Vorschlags.
Völlig zu Recht wird aber auch darauf hingewiesen, dass eine solche Erleichterung bezüglich der Pflicht zur Führung des Verzeichnisses gerade nicht dazu führt, dass Organisationen und Unternehmen dann die DSGVO gar nicht mehr einhalten müssten. Natürlich gelten die übrigen Pflichten auch weiterhin. Die Anpassung der DSGVO wäre also sehr gezielt und spezifisch auf eine konkrete Pflicht.
Zudem weisen der EDSA und der EDSB darauf hin, dass selbst sehr kleine Unternehmen immer noch eine risikoreiche Verarbeitung vornehmen können und es daher wichtig ist, einen risikobasierten Ansatz beizubehalten. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörden kann eine nicht gelegentliche Verarbeitung und die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, je nach dem Ergebnis der Bewertung aller relevanten Kriterien, immer noch zu einem wahrscheinlich hohen Risiko führen kann.
Eigene Einschätzung
Der Vorschlag der Kommission zielt insbesondere in die (auch auf nationaler Ebene angedachte) Richtung der Entbürokratisierung – im Sinne von weniger Nachweis- und Dokumentationspflichten.
Wenn diese Vorschläge tatsächlich zur Anpassung der DSGVO führen, wird in der Praxis von besonderer Bedeutung sein, wie genau und verständlich die Rückausnahmen gestaltet sind. Die Aufsichtsbehörden erwähnen bereits ein wichtiges Beispiel: so kann etwa auch ein kleines Unternehmen mit 50 Mitarbeitern dennoch verpflichtet sein, ein Verzeichnis zu führen, wenn es als Kerngeschäft (nicht nur gelegentlich) mit sensiblen Daten, etwa Gesundheitsinformationen von Kunden umgeht.
Zudem bin ich persönlich sehr gespannt darauf, wie die Politik derartige Änderungen „verkauft“. Ich ahne leider, mit Blick auf entsprechende Aussagen in der Vergangenheit, etwa zur Anhebung der Grenze zu Benennung eines Datenschutzbeauftragten in Deutschland, dass hier etwa öffentlich z.B. ganz generell von der Entlastung von datenschutzrechtlichen Pflichten gesprochen wird – wobei es sich nur um eine einzelne Pflicht nach Art. 30 DSGVO handelt. Und übrige gesetzliche Anforderungen der DSGVO weiter einzuhalten sind.
Zudem muss man als Unternehmen in jedem Fall beachten, dass die in einem Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO enthaltenen Angaben die Umsetzungen vieler weiterer pflichten der DSGVO erleichtern. Bsp: Informationen in den Datenschutzerklärungen ach Art. 13 DSGVO decken sich zu einem guten Teil mit Angaben aus dem Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO. Nur weil ein Unternehmen das Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO nicht mehr vorhalten muss, bedeutet dies aber nicht, dass es nicht mehr seine Mitarbeiter oder Kunden nach Art. 13 DSGVO informieren müsste – diese Angaben müssen trotzdem erfolgen und das bedeutet, dass Unternehmen diese Informationen trotzdem intern irgendwie und irgendwo zusammensammeln müssen. Eine konsistente Reform der DSGVO müsste also bei den Erleichterungen eigentlich durch verschiedene Pflichten gehen, um tatsächlich weniger Aufwand für Unternehmen zu erreichen.